The Future of Work - Flexibilität und Effizienz des Virtuellen Arbeitens

Alexander Eser

 

„Unser Kollege in Argentinien hat dazu doch letztens noch ein Dokument in unserem Workspace hochgeladen und unser Konzeptionist aus China hat in der gestrigen Videokonferenz einige Verbesserungen angemerkt.“

 

Immer häufiger hört man heutzutage Sätze wie diese, denn Projekte werden schon lange nicht mehr nur am großen runden Tisch im achtstöckigen Hochhaus im Unternehmerviertel bearbeitet. Große Aufgaben löst man heute in online vernetzten Gruppen - das sogenannte Virtuelle Arbeiten revolutioniert die Arbeitswelt und öffnet Türen, hinter denen sich Effizienz und Kreativität verbergen.

 

Unser Gastkommentator Alexander Eser hat damit einige Erfahrungen gemacht. Er ist Mitgründer des Medien-StartUps Kaufberater.io, ein Online Magazin für digitale Kaufberatung.

Der Mensch zeichnet sich insbesondere dadurch aus, große und umfangreiche Aufgaben in der Gruppe zu bewältigen. Diese Tendenz ist fest in uns verankert. Schon unsere Vorfahren fanden sich in Gruppen zusammen, um die große Wildkatze zu verjagen, die um das Lager tigerte und bedrohlich fauchte. Speere wurden gewetzt, Pläne geschmiedet und das Tier schließlich vertrieben. Der Gruppengedanke war damals wie lange Zeit danach auf eine örtliche Zusammenkunft der Akteure beschränkt. Man fand sich in großen Höhlen zusammen oder halt am Konferenztisch im verglasten Wolkenkratzer. Malereien wurden angefertigt, die den Plan skizzierten, oder eben Power-Points zum selben Zwecke präsentiert.

 

 

Die Entbindung vom örtlichen Schwerpunkt: Geringe Präsenz, bessere Ergebnisse

 

Das Virtuelle Arbeiten entbindet jedoch den Schaffensprozess von einem festen Ort und verteilt Aufgaben teilweise auf die ganze Welt. Die über Online-Plattformen vernetzten Virtuellen Teams, die gemeinsam an bestimmten Projekten arbeiten, kommen meist aus den verschiedensten Ländern und noch viel wichtiger: aus verschiedenen Unternehmen oder Institutionen. Die beteiligten Akteure treten im Team als individuelle Arbeitskräfte auf. Der Fokus liegt auf den fachspezifischen Kenntnissen, die sie zeitlich begrenzt in das Projekt einbringen. Das Arbeiten in Virtuellen Teams lässt sich daher mit dem Prinzip des „hiring on demand“ beschreiben, übersetzt also dem „Einstellen nach Bedarf“. Im Fokus steht folglich der erbrachte Einsatz der Arbeitskräfte und dessen Qualität für das Team bzw. das Projekt. Der Aspekt des Arbeitsverhältnisses rückt in den Hintergrund.

 

 

Die Herausforderungen und Hindernisse der Virtuellen Kommunikation

 

Dass diese Teils anonyme Form der Arbeitsorganisation viele Herausforderungen und Hindernisse in sich bringt, ist naheliegend. Für Menschen, die ihre Arbeitskollegen gerne auch privat kennen lernen wollen, um die Zusammenarbeit zu fördern, ist das Arbeiten in einem Virtuellen Team das falsche Umfeld. Der persönliche Kontakt wird meist auf rein professionelle Gesichtspunkte beschränkt.

 

Mit dem tatsächlichen Vollzug der eingeteilten Arbeitsabläufe gehen weitere Schwierigkeiten einher, die nur durch besonders hohe Organisationsaufwendungen vermieden werden können. Aufgrund der individuell verteilten Deadlines für einzelne Teammitglieder und ihre Aufgaben kann es ganz praktisch gesehen zum Beispiel öfter vorkommen, dass nicht alle Akteure zur gleichen Zeit für Video- oder Telefonkonferenzen zur Verfügung stehen.

 

Und auch die oftmals sehr differierende Herkunft der Gruppenmitglieder kann bei Nutzung einer Online-Plattform Schwierigkeiten mit sich bringen. Zum einen muss eine grundsätzliche Form der Kommunikation, also eine sprachliche Vereinheitlichung oder Konsensbildung stattfinden. Zum anderen wird von allen Gruppenmitgliedern verlangt, sich mit medienvermittelter Kommunikation auszukennen und überdurchschnittliche Softskill-Fähigkeiten in puncto zwischenmenschlicher Verständigung zu besitzen.

 

 

Das richtige Organisationsprogramm als Schlüssel zum „Virtuellen Erfolg“

 

Der wichtigste Schritt, um das „Cloudworking“ transparent und effektiv zu gestalten, ist die Wahl eines für die Gruppenbedürfnisse adäquaten Programms für die digitale Zusammenarbeit. Der angesprochene Umstand, dass sich die Standorte der Teilnehmer meist auf der ganzen Welt verteilen, macht eine zuverlässige und auf die vorliegenden Aufgaben angepasste Software unabdingbar. Auf dem Software-Markt gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Angeboten, die eine gute bis sehr gute Online-Kommunikation ermöglichen. Beispiele hierfür sind MS Project, Wrike, Meistertask, Slack, Taskworld, Podio, Trello, Basecamp oder Redbooth. Keines dieser Programme ist vom Funktionsumfang, Bedienung oder Software-Vorkenntnissen identisch mit dem anderen.

 

Das Institut für Arbeitsdesign und Zukunftstechnologien e.V. verglich erstmals im Oktober 2014 verschiedene Collaboration-Tools hinsichtlich unterschiedlicher relevanter Aspekte miteinander. Im März 2017 aktualisierte das Institut seine Untersuchungen und verglich zehn statt fünf Tools in unterschiedlichen Kategorien. Lobend erwähnt wurden in der Auswertung des Vergleichs vor allem die Programme Podio und Taskworld. Podio glänzte laut den Testern vor allem durch seine individuelle Anpassbarkeit: Persönliches Dashboard, Projekte und unbegrenztes Filesharing zählen zu den Stärken des von Citrix entwickelten Projektmanagemet-Tools. Das amerikanische Kollaborationstool Taskworld, das von Fred Mouawad erfunden wurde, glänzte vor allem durch simple Templates, individuelle Kommentarfunktion, umfangreiche Tag-Funktionen auf vielen Ebenen und einfacherer Integration von E-Mails.

 

Aus dem Vergleich besonders herausgehoben wurden außerdem MS Project und Slack. Beide Programme könnten jedoch kaum unterschiedlicher sein. Während MS Project mit der Integration von OneNote, SharePoint oder MS Office interessante Ansätze bietet und vor allem für versierte Tool-User geeignet ist, greift Slack die neumodische Begeisterung für Hashtags, Emojis, oder Kurznachrichten auf und präsentiert sich als eine erfrischende aber auch grundsolide Alternative zu alteingesessenen Kollaborationstools.

 

 

Vorteile des Cloudworkings: Steigende Qualität, größere Selbstbestimmung

 

Werden die zahlreichen Herausforderungen und Hindernisse mithilfe eines passenden Programms und einer guten Vertrauensbasis überwunden, ist der Ertrag des Cloudworkings vielschichtig. Durch die Entkopplung des Arbeitsprozesses von einem bestimmten Ort und einem stark determinierten unternehmerischen Umfeld werden heterogene Gruppen geschaffen. Diese erreichen, dass Projektergebnisse qualitativ hochwertiger und differenzierter gestaltet werden. Hinzu kommt der Aspekt der Vernetzung zwischen Unternehmen und Institutionen. Die Bildung Virtueller Teams legt oft den Grundstein für weitere Konzepte und kann neue zwischenunternehmerische Projekte begründen, sowie Marktgebiete erschließen.

 

Neben den positiven Effekten auf gemeinsame Arbeitsprozesse und Ergebnisse, die in das Wirkungsfeld der Gruppe fallen, hat das Arbeiten in der Cloud auch große Vorteile für die einzelnen Mitglieder. Revolutioniert wird primär der Aspekt der Arbeit. Für die Mitglieder des Virtuellen Teams, bringt das „Arbeiten in der Cloud“ den großen Vorteil, Arbeit flexibel machen zu können. Gemeint ist damit, dass das Erledigen von Aufgaben meist einer Deadline unterliegt, die Arbeitsschritte bis zu dieser Deadline aber frei eingeteilt werden können. Es ist also den Gruppenmitgliedern vorbehalten, wann, wo und in welchem täglichen Umfang sie Aufgaben erledigen. Diese neu gewonnene Freiheit der Arbeitseinteilung und Erledigung schafft Individualität und fördert Kreativität sowie die Fähigkeit zum Selbstmanagement.

 

In der heutigen Gesellschaft von immer größerer Bedeutung ist der interkulturelle Aspekt, den das Virtuelle Arbeiten mit sich bringt. Meist arbeiten Menschen verschiedenster Länder, Kontinente und Kulturen zusammen. Dieser Umstand unterstützt nicht nur die Anerkennung fremder Leistungen, sondern trägt auch wesentlich zum interkulturellen Verständnis bei und fördert nicht zuletzt die Toleranz.

 

 

Megatrends: Die Virtualisierung als bestimmende Tendenz des 21. Jahrhunderts

 

Die Tendenz der Virtualisierung und Digitalisierung findet nicht nur im Bereich des Projektmanagements statt. Der virtuelle Trend ist in vielen Lebensbereichen auf dem Vormarsch: Nachrichtendienste setzen zunehmend auf elektronische Medien, Einkäufe werden per Handy oder PC getätigt und Spracherkennungssysteme wie Alexa oder Siri planen für uns die gesamte Woche.

 

Computer und Maschinen haben also längst ihren eigenen Kopf: Die Artifical Intelligence, zu Deutsch die künstliche Intelligenz von Software, macht die Maschine zum Arbeitskollegen des Menschen. Oft ist in diesem Zusammenhang von „Industrie 4.0“ die Rede. Von der Mechanisierung der Arbeit über das Scientific Management, das durch Frederick Winslow Taylor im späten 19. Jahrhundert geprägt wurde, und dem spezialisieren von Fachkräften auf bestimmte Arbeitsabläufe, der sogenannten Facharbeit, erreicht Produktivität mit dem Einsatz von intelligenten Maschinen einen neuen Level. Die Möglichkeit mit der physischen Welt in Interaktion zu stehen, über Sprachverständnis und Sprachvermögen zu verfügen, die Fähigkeit für bestimmte Problemsituationen passende Lösungsansätze zu finden: All diese Attribute machen Maschinen und Software für den Menschen des 21. Jahrhunderts zu einer so reizvollen Hilfe im Alltag und der Arbeitswelt.

 

Mit diesem Wandel einher gehen weitere sogenannte „Megatrends“, die auch das Virtuelle Arbeiten in ganz verschiedener Weise begünstigen. Die Trends durchdringen dabei nahezu alle Lebensbereiche: Politik, Gesellschaft, Umwelt oder Wirtschaft. Für das virtuelle Arbeiten sind vor allem all jene Trends von Bedeutung, die mit Gesellschaft und Wirtschaft in Verbindung stehen und mit der Digitalisierung und Virtualisierung korrespondieren: Social Business, Me-Cloud, Social Networks oder E-Commerce sind nur ein Auszug aus einer Vielzahl von Trends.

 

Aber auch gesellschaftliche Aspekte außerhalb der virtuellen Welt nehmen immensen Einfluss auf das Cloudworking. Dazu zählen vor allem der Sub-Trend Diversity, also das Anerkennen nationaler sowie kultureller Vielfalt oder das Phänomen der Small-World-Networks, also kleineren Netzwerken mit zentralen Knotenpunkten, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Damit einher geht eine stetig wachsende Wir-Kultur, der jedoch ein parallel ansteigender Anspruch einzelner Individuen auf Autonomie gegenübersteht. Dieser kann das Arbeiten in virtuellen Gruppen natürlich vor Herausforderungen stellen, den Siegeszug der Virtuellen Arbeit aber wohl kaum stoppen.