Virtuose Führung virtueller Teams

Patrick Vestner

 

 

Viele Manager fokussieren auf technische Lösungen, um Virtuelle Teams im Unternehmen zu etablieren. Dabei wird jedoch schnell vergessen, dass die Qualität virtueller Teams ganz wesentlich von den klassischen interpersonellen und organisatorischen Fähigkeiten des Managements abhängt. Wie man virtuelle Teams richtig angeht, berichtet unser Schweizer Gastautor Patrick Vestner, langjähriger Sales und Marketing Manager in einem internationalen Gesundheitsunternehmen. Zur Zeit ist Patrick Vestner im Bereich Change Management tätig.

 

 

 

Aufgrund sich verändernder Demografie und technischen Fortschritten ist das Thema «Virtuelle Teams» in akademischer, wie auch praktischer Hinsicht in den Fokus gerückt. In der heutigen Zeit sind Firmen oftmals international vernetzt, sodass virtuelle Teams beinahe in allen organisatorischen Einheiten anzutreffen sind. Erfolg und Misserfolg virtueller Teams stehen aber nahe zusammen und während einige Unternehmen die Vorzüge feiern, kam der Internetkonzern «Yahoo» 2015 zum Schluss, die Mitarbeiter wieder von der Zentrale aus arbeiten zu lassen. Es stellt sich also die Frage, was man tun kann, um virtuelle Teams zum Erfolg zu führen.

 

Virtuelle Teams unterscheiden sich in Definition, Zusammensetzung und Verantwortlichkeiten stark. Sie sind dabei auch abhängig vom Funktionalbereich sowie dem Grad der Virtualität. Während einige Teams für Projekte ein zeitlich beschränktes, virtuelles Netzwerk bilden, sind andere Organisationen per se an verschiedenen Standorten ansässig. Die Kommunikation kann zusätzlich durch verschiedene Zeitzonen, Sprachen und Kulturen erschwert werden.

 

Die Führung von virtuellen Teams zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass keine Face-to-face Begegnungen stattfinden können. Dies gilt sowohl für formelle als auch informelle Kommunikation (z.B. in Form von Büroklatsch). Diese Nicht-Verbundenheit zu Kollegen sowie der Führungskraft kann eine entsprechend negative Auswirkung auf die Beziehungen und entsprechend auf die Führung haben. Die folgenden Tipps helfen, eine solide Basis zu schaffen, die in einem virtuellen Hochleistungsteam unabdingbar ist.

 

 

Ohne gemeinsames Verständnis kein Team

 

Wie für jedes Team ist ein gemeinsames Verständnis für die Wahrnehmung der gemeinsamen Ziele grundlegend. Was soll erreicht werden? Wie erreichen wir dies? Was muss getan werden? Wer bringt was ins Team ein? Die personelle Komponente steht dabei im Wechselspiel mit den organisatorischen Voraussetzungen.

 

Für die Führung bedeutet dies:

  • Man muss eine aktive, unterstützende Kommunikationskultur mit regelmässiger, voraussehbarer Kommunikation leben.
  • Techniken zum aktiven Zuhören sind zu trainieren und anzuwenden. Besonders Teams, die per se unterschiedlich starke Kulturen beinhalten, müssen trainieren, sich in die Person aus der anderen Kultur hineinzuversetzen, um dessen Nachricht besser zu verstehen.
  • Es ist wichtig, Konflikte in der Anfangsphase bewusst offen auszutragen und durch Moderation zu «entpersonalisieren».
  • Eine gemeinsame Entscheidungskultur muss ausgearbeitet werden, da sich Entscheidungsprozesse weltweit stark unterscheiden.
  • Mitglieder müssen exakt verstehen, wer was macht und wie die Abhängigkeiten der Rollen sind.

 

Integration der Strukturen notwendig

 

Global abweichende Policies, Strukturen und Systeme sollten für ein virtuelles Team aufeinander abgestimmt sein und können von den lokalen Gegebenheiten abweichen. Eine solche Integration ermöglicht abteilungsübergreifendes Arbeiten, indem gemeinsame Verhaltensmuster, Anreize und «Sicht der Dinge» geschaffen werden. Generell gilt: je grösser die Unterschiede (kulturell, sprachlich, organisatorisch, strukturell, etc.), desto höher die Notwendigkeit der Integration.

 

Für die Führung bedeutet dies:

  • Mehr zentralisierte Koordination (nach anfänglich aufgabenorientierter Kommunikation), jedoch keine Mikro-Führung.
  • Rollen, Verantwortlichkeiten, Ziele und Prozesse müssen überdurchschnittlich klar definiert und voneinander abgegrenzt werden (lieber mehrere kleine als überschneidende Rollen, Verantwortlichkeiten, Ziele).
  • Eine gemeinsame Kommunikationsguideline ausarbeiten, mit dem Ziel, möglichst effizient sprich präzise zu kommunizieren (z.B. Antwortzeiten, Sprache, Stil).
  • Regelmässige Teammeetings ansetzen, um einen gemeinsamen Rhythmus zu ermöglichen und das Zugehörigkeitsgefühl zu erhöhen.
  • Videokonferenzen helfen, die Aufmerksamkeit und Effizienz in Meetings zu erhöhen.

 

Vertrauen ist entscheidend

 

Dieser Punkt ist natürlich schon für lokale Teams wichtig, für virtuelle Teams aber von noch grösserer Bedeutung. Er beschreibt die sogenannte «Psychologische Sicherheit», die Teammitglieder verspüren. Mit anderen Worten: ob Fehler gemacht werden dürfen, offene Feedbackkultur besteht oder wie mit Misserfolgen umgegangen wird. Für virtuelle Teams ist ein solches Vertrauen ungleich schwerer aufzubauen, da die Kommunikation über elektronische Medien läuft. Mit den richtigen Mitteln und durch gemeinsame Erfahrungen bzw. Erfolge ist es aber sehr wohl möglich.

 

Für die Führung bedeutet dies:

  • Dynamische Führung implementieren, da dies die Motivation und Identifikation erhöht (z.B. rotierende Führungsrollen, Shared Leadership).
  • Erfolge, Milestones bewusster feiern, um Commitment und Optimismus zu stärken. Generell sind virtuelle Teams erfolgreicher, die eine hohe Leidenschaft für die Sache aufbringen.
  • Informelle Kommunikation fördern, indem Raum für virtuellen Kaffeeklatsch, z.B. durch Integration von Social Media Kanälen und Chats, ermöglicht wird.
  • Wenn möglich, Teammitglieder so früh wie möglich z.B. (halb-)jährlich oder bei Kick-Off- und Milestone-Meetings physisch zusammenbringen. Ist dies nicht möglich, auf Videolösungen zurückgreifen und bewusst «Virtuelles Team Building» organisieren.
  • Virtuellen Kollegen ein Gesicht geben, indem persönliche Profile erstellt werden. Neue Mitglieder auf allen Kanälen bewusster vorstellen (inkl. Hintergrund, Privates) und einen virtuellen Mentor zur Seite stellen.
  • Hierarchisches Denken, Kommunizieren und Handeln abbauen, da es in erfolgreichen virtuellen Teams eine untergeordnete Rolle spielt.

 

So schwierig eine erfolgreiche Umsetzung ist, so interessant ist es, die Vorteile von funktionierenden virtuellen Teams zu nutzen. Die oben genannte Diversität kann Kreativität und Innovation entscheidend steigern. Desweiteren ermöglicht die geographische Unabhängigkeit den Zugang zum weltweiten Talentmarkt. Dabei sind neben den technischen Skills, auch präzise Kommunikationsformen, emotionale Intelligenz und Leidenschaft bei der Rekrutierung der passenden virtuellen Kollegen zu beachten.